Minimalismus für
maximale Freude -
Was brauche ich
eigentlich wirklich?
So ein Kleiderschrank ist echt groß, bietet Platz für reichlich Klamotten. Und was sind schon 58 T-Shirts, 19 Hosen und 17 Kapuzenpullis? Schließlich muss doch für jeden Anlass das passende Kleidungsstück parat liegen. Die Palette ist breiter als das Farbspektrum des Regenbogens, aber modisch gekleidet sein heißt doch auch, Farben gekonnt zu kombinieren. Und was ist eigentlich, wenn der Dauerregen über Deutschland einsetzt und ich nass werde? Nichts ist wichtiger als Wechselkleidung, das hat schon meine Omi gepredigt. Immer schön die Nieren warm halten, sonst gibt es eine böse Erkältung.
Aber kann es sein, dass unser Konsum aus den Fugen geraten ist? Was, wenn unsere Nieren auch warm bleiben, ohne dass wir über hundert Oberteile besitzen. Sind all diese Klamotten nötig? Oder tragen wir am Ende des Tages doch nur unsere auserlesenen Lieblingsstücke und der Rest der Baumwollarmee bleibt auf ewig im Schrank? Diese Fragen lassen sich übrigens auf den kompletten Hausstand übertragen, denn der durchschnittliche Deutsche hortet etwa 10.000 Dinge zuhause. Und schafft zudem jedes Jahr rund 60 neue Kleidungsstücke an, mehr als die Hälfte davon bleibt ungetragen. Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich etwas tun möchte. Etwas tun möchte, um weniger zu besitzen. Einige nennen es Abkehr vom Materialismus, andere Konsumverzicht. Oder die Begrifflichkeit Minimalismus fällt. Egal, welche Vokabel für dich sympathisch erscheint, der Grundgedanke ändert sich nie. Weniger haben, aber glücklicher sein.
Ich fand die Idee cool, mich von allem unnützen Ballast zu befreien. Und so ging ich durch meine Wohnung und überprüfte nahezu jeden Gegenstand auf seine Wichtigkeit. Der siebzehnte Küchenhelfer (ein Apfelschneider, wer hat mir den geschenkt?), die Herde Deko-Schafe auf dem Fensterbrett und satte drei Fahrräder. Wann fahre ich damit eigentlich gleichzeitig? Ich mag auch Süßigkeiten, aber eine Zuckerwattemaschine brauche ich definitiv nicht. Und so landete mein halber Hausstand bei eBay Kleinanzeigen und auf dem Flohmarkt. Es war ein tolles Gefühl, meinen Konsum zu hinterfragen und neue Sichtweisen zu gewinnen. Und mir wurde bewusst, dass ich auch im Alltag jede meiner Kaufentscheidungen überprüfen kann - ungeachtet dem Marketing-Gewitter, das täglich auf uns einschlägt. Minimalismus heißt aus meiner Sicht übrigens nicht, auf alles zu verzichten - das Auto abzuschaffen, keine Kleidung mehr zu kaufen oder ein tristes Eremiten-Dasein zu fristen. Vielmehr ist Minimalismus ein Gedankengang, der uns daran erinnert, dass Konsum eine bewusste Entscheidung ist.
Es ist ja auch nicht nur eine Frage des Geldes, ob wir Dinge an- oder auch wieder abschaffen. Bei Materialismus, dem Gegenpol des Minimalismus, geht es um mehr - um massenhafte Ausbeutung von Ressourcen, die Missachtung der Menschenrechte, den Klimawandel. Die großen Modelabels sind leider in aller Regel profitorientiert, die Näherinnen in Bangladesh finden nur beiläufig Beachtung. Nämlich dann, wenn es darum geht, dass sich einer dieser Konzerne mit seiner schier unendlichen Fürsorglichkeit nach Außen schmücken möchte. Allerdings ist bereits ein Umdenken erfolgt - eine zunehmende Zahl von Menschen beschäftigt sich mit diesen Problemen. Und auch, wenn dann und wann die letzte Konsequenz in der Umsetzung fehlt, ist es doch ein tolles Gefühl, das eine oder andere Mal einfach auf unnötige Dinge zu verzichten. Oder aber bewusster zu konsumieren. Es fühlt sich befreiend an, ohne jeden Kaufreiz durch ein Einkaufszentrum schlendern zu können und einfach nichts zu brauchen, was in den schick drapierten Schaufenstern nach Aufmerksamkeit schreit.
Wenn du also Lust hast ein wenig minimalistischer zu leben, dann probiere doch mal einen der folgenden fünf Tricks aus:
1. Schau dir deine eigenen vier Wände an. Welche Gegenstände brauchst du wirklich? Auf was kannst du ohne Probleme verzichten? Wenn du einige Dinge zusammen hast, kannst du sie einfach verkaufen oder verschenken!
2. Konsumiere bewusst. Was gibt es nicht alles zu kaufen, für jede Situation im Leben findet sich ein scheinbar wichtiges Gadget. Bevor du etwas kaufst, kurz innehalten und überlegen, ob es dir morgen auch noch wichtig erscheint.
3. Besorge nicht mehr Lebensmittel als du essen kannst. Koche frisch, kaufe regional. Und achte gezielt darauf, dass du nichts wegwerfen musst. Wäre doch schade, wenn Lebensmittel sinnlos im Müll landen.
4. Werbung im Briefkasten ignorieren, Newsletter abbestellen. Was du nicht siehst, musst du auch nicht kaufen. Lass den Einfluss von Werbung auf dich so gut es geht verstummen - das spart nicht nur Zeit und Geld, sondern auch Ressourcen.
5. Gesellschaftlichen Zwängen trotzen. Auch wenn uns jeden Tag vermittelt wird, was wir alles unbedingt brauchen. Der Nachbar prahlt mit seinem neuen Fernseher, dein Chef erzählt von teuren Uhren. Sei stark und frag dich, was du wirklich brauchst. Nur deine Antwort und dein Gefühl zählen!
Sei mutig und probiere aus, ob dir Minimalismus auch Etwas schenkt - das Gefühl, bewusst zu leben und unseren Planeten zu schützen. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat es jüngst wunderbar treffend formuliert: „Make our planet great again“. Und egal, ob es dabei um das Pariser Klimaabkommen oder um individuellen Konsumverzicht geht - jeder Schritt zählt, auch deiner!